ein kleines Gasthaus
Es ist schon spät. So hast du einfach das nächste Gasthaus genommen um etwas warme Speisen zu dir zu nehmen und vielleicht ein Platz zum Schlafen zu finden. “Denke-Schenke”, Inhaber Hugo Dankwart. ‘Merkwürdiger Name.’ überlegst du ‘aber zumindest klingt das nach einem ruhigen Abendessen.’ Als du auf die schmale und etwas schwerfällige Tür zu gehst, merkst du ein Schild zur 30-Jahr-Feier, vermutlich vom letzten Jahr oder noch älter. Es ist keine große Ankündigung zur Feier mit viel Essen oder Tanz, eher ein Hinweis der Bestandsdauer. ‘zumindest keine solche neumodische Stube mit lauter Musik.’ beim Reingehen denkst du noch einmal an die Regeln, die eine gute Taverne ausmachen: ‚Alliteration im Namen – Hm, nicht hier. Gläser putzen beim reinkommen, die Theke beim Rausgehen – oder umgekehrt?’
Du trittst ein. Jetzt, im Regen, noch etwas anderes zu suchen, würde zu lange dauern.
Es eröffnet sich dir ein eher kleiner Gastraum im bäuerlichen Stil, welches nur durch einige Öllampen erhellt wird. Nur wenige Gäste haben sich hier und dort an den Tischen verteilt. Ein angenehmer Duft steigt dir in die Nase: frisches Brot und einige Wildkräuter, die an den dicken Holzbalken der Decke zum Trocknen aufgehängte wurden. Die Theke und die Wand dahinter sind mit verschiedenen kleinen Bildern, Schnitzereien oder Figuren geschmückt, die aus verschiedenen Kulturen und Zeitepochen stammen. Du erkennst hier und da den Berg als wiederkehrendes Motiv.
Um das näher zu betrachten gehst du darauf zu.
Hinter dem Tresen erhebt sich ein hochgewachsener, bärtiger Mann, gerade ein Buch zur Seite packend, welches er bis eben noch las. “Können Sie kurz noch einmal rausgehen und wieder reinkommen?” fragt der Wirt. Und mit ein Fingerzeig auf ein Stundenglas spricht er gleich weiter: “Ich hatte meinen nächsten Gast zwischen Sandkorn 400 und 500 erwartet und nicht schon bei 320.”
Etwas verunsichert denkst du einen kurzen Moment tatsächlich daran das Gasthaus wieder zu verlassen. Doch dann lacht der Wirt: “Nein, ein kleiner Scherz. Herzlich willkommen in meiner kleinen Denke-Schenke. Wie kann ich dir dienen? Ein Tee deiner Wahl gibt es gratis für dein frühes Erscheinen.”
Du gibst deine Bestellung auf.
Der Wirt macht plötzlich ein besorgtes Gesicht und nickt. “Suppe mit Brot hilft in jeder Not. Du bist doch nicht etwa in Not, oder?” … “Musst du nicht beantworten. Brot zur Brühe kommt gleich ohne Mühe! Wenn du erlaubst nehme ich dein Mantel mit und hänge ihn an die Feuerstelle, damit er schnell wieder trocken wird.”
Der Wirt verschwindet mit deinen Mantel in der Küche und kommt kurz darauf mit einer großen Tasse Tee wieder heraus.
“Die Suppe braucht noch etwas. Such dir doch inzwischen einen Platz ich bringe sie dir dann an den Tisch.” Und er verschwindet wieder hinter der Küchentür. Du begutachtest den Tee, entdeckst zwei Kekse und ein Töpfchen Honig daneben, ziehst genüsslich den Duft durch die Nase und denkst: “Für’s zu früh kommen – gar nicht so übel. Vielleicht habe ich doch das richtige Gasthaus gewählt.”
Du drehst dich um und lässt dein Blick durch das Gasthaus schweifen.
Unweit der Theke gibt es eine kleine Bühne mit ein Klavier an der Seite. Ein junger Mann, fast noch ein Knabe, sitzt daneben auf einem Stuhl und spielt mit was auf seiner Gitarre. Bis eben hast du ihn noch gar nicht bemerkt, und selbst jetzt, in der Stille, musst du dich konzentrieren um etwas zu hören. Einfache aber feine Töne, kleine Melodien, vielleicht sogar von bekannten Liedern. “… und ich höre die Posaunen früh am Morgen…”
Ergriffen von der Sehnsucht des Liedes entscheidest du dich für ein Platz nahe an der Musik. Du nimmst dein Tablett und gehst rüber, vorbei an den Tisch einer jungen Frau mit roten, schulterlangen Haaren. Ihre robuste aber leichte Reisekleidung und der schwere Rucksack deuten an, dass sie auf Durchreise ist. Du versuchst ein Blick auf die Bücher und Karten zu erhaschen, die sie gerade auf den Tisch studiert. “Ferelden” kannst du noch lesen bevor die Karte und die Bücher mit einem anderen Papier bedeckt werden. “Na na na!” Du blickst in den abschätzenden und herausfordernden Augen der jungen Frau. “Diese Dokumente sind nicht für dein Auge bestimmt, außer vielleicht du bist interessiert an ein kleines Reiseabenteuer.” Die Art, wie sie das sagt, lässt dich etwas zögern. Die Reiselust und die Spannung von ungelöste Abenteuer und Rätsel glüht in dir auf. Aber dankend lehnst du ab: “Ich habe noch ein anderes Ziel zu erreichen.” – “Nun gut.” erwidert sie, “Wenn du es dir anders überlegst, ich bin noch ein paar Tage hier. Möge der Erbauer über deinen Weg wachen!”
Du gehst weiter zu deinen Tisch.
“… nie mehr Teil davon, oh-h nie mehr Teil davon, nein, nie mehr Teil davon, …” klingt der Text zur Melodie des Jungen in denen Ohren, als du dich setzt.
Weiter lauschend schlürfst du an deinen Tee. Als du den ersten Keks in den Tee getaucht und abgebissen hast, entdeckst du ein Zettel auf dem das Gebäck lag. Du ziehst ihn hervor und liest den kleinen Spruch darauf: “Wo Hochmut ist, da ist Schande, aber Weisheit ist bei dem Demütigen.”
Die nächsten paar Minuten und Keksstückchen denkst du über die Bedeutung der Wörter nach. “Demut und Weisheit, was für große Wörter…” Kurz nachdem das letzte Stückchen Keks zwischen deinen Zähnen sein Ende gefunden hat, und kurz bevor dein erster Gedanke seine Blüten tragen konnte, erscheint vor deinen Augen ein wohl dampfender Eintopf mit frisch gebratenem Brot.
“Was ist das für ein Spruch?” fragst du den Gastwirt, den Zettel in der Hand hochhebend. “Oh, das ist ein Spruch Spruch.” erwidert dieser und fährt dann etwas schneller fort: “Besonders gut passend zu den 11 Tropfen Honig und den 2 Keksen. Aber entschuldige mich, ich habe noch etwas auf dem Feuer. Genieße deine Suppe.” Am Nachbartisch wechselt er mit der Frau ein paar Worte und verschwindet dann in die Küche, wohin ihn die Rothaarige bald folgt. Für dich ist es aber Zeit deinen Magen mit etwas Essen zu füllen. Kurz bevor du deinen Löffel greifst um ihn in die Suppe zu tauchen kannst du sehen wie fein alles angerichtet ist. Das Besteck, die Schale, ein kleines Tuch, selbst die Kräuter, die dekorativ in der Suppe schwimmen, alles wirkt ordentlich seinen Platz gelegt um ein harmonisches Ganzes zu ergeben. Um das Kunstwerk nicht zu zerstören, bist du sehr vorsichtig beim Löffeln der Suppe.
Doch auch diesmal ist deine Ruhe nicht für lange Dauer. Zu dir setzt sich ein Mann mit ungekämmten Haaren und abgetragener Kleidung. Er wirkt sehr offen und freundlich aber auch etwas unberechenbar als er ein paar Karten auf den Tisch legt und sagt: “Ein kleines Spiel in Ehren, kann niemand verwehren. Willst du?”
Als du etwas zögerst, setzt er nach: “Du wirst nichts verlieren, wirst dich nicht blamieren, du musst nur riskieren.” – “Was riskieren?” – “Ich wusste, das du dabei bist. Die Regeln sind ganz einfach. Das Ziel ist mit 5 Karten die bestmögliche Reihe zu bekommen. Erreichen kannst du das indem du Karten sammelst, die ich auf den Tisch lege, während wir beide die Augen geschlossen halten. Auf 3 öffnen wir die Augen und schlagen mit der Hand auf eine Karte unserer Wahl. Wer zuerst oder alleine eine Karte erwischt, darf sie nehmen. So einfach.” Du nimmst noch ein Schluck von deinen Tee und schon startet die erste Runde.
Augen zu – Augen auf – Bam! Hand auf den Tisch. Ihr beide habt eine Karte erwischt.
Zweite Runde.
Augen zu – Augen auf – Bam! Hand auf den Tisch.
Er war etwas schneller als du und nimmt sich jetzt die rote Karte, während du keine bekommst.
Dritte Runde. Man muss tatsächlich schnell gucken, entscheiden und dann zuschlagen.
Augen zu – Augen auf – Bam! Hand auf den Tisch.
Du nimmst die Karte, die eher an der Seite lag, so geht’s auch.
Vierte Runde. Was gibt dir eigentlich die Sicherheit, dass er nicht betrügt?
Augen zu – Augen auf – Bam! Hand auf den Tisch.
Noch vor deinem Mitspieler nimmst du dir die Karte, die gut in deine Reihe passt.
Fünfte Runde. Noch eine Chance.
Augen zu – Augen auf – Bam! Hand auf den Tisch.
Diesmal lagen die Katzen ganz anders und du greifst ins leere.
Zeit zum vergleichen der Karten.
Du verstehst nicht ganz wie die Wertung der Farben und Symbole funktionieren aber am Ende sind deine Karten etwas besser als die deines Gegenspielers. Das ermutigt dich zu einer weiteren Runde, oder zwei. Wenig später tut deine Hand etwas weh, und ihr wechselt zu einem Würfelspiel wo es auch um Schnelligkeit, Geschicklichkeit, und das Sammeln bestimmte Kombinationen geht. Auch hier fallen die Würfel öfter zu deinem Gunsten sodass am Ende, als sich der Wirt zu euch setzt, dein Mitspieler die Rechnung übernimmt und sich dann verabschiedet.
Da es schon spät geworden ist, erkundigst du dich nach einer Übernachtung.
“Uf, äh, das wird schwierig.” Meint der Wirt und etwas Verunsicherung liegt in seiner Stimme als er fortfährt: “Meine Zimmer sind ziemlich, vollständig ausgebucht. Und außerdem sind meine Betten eigentlich gar nicht zu bequem zum Schlafen.”
Du bist etwas verwirrt. “Heißt das ich kann nicht bleiben?” – “Nun ja, es ist so. … Drei Häuser weiter ist ein gutes Gasthaus, da findest du sicherlich noch ein bequemes Bett für die Nacht.”
Kurzes schweigen.
“Also gut. Da ja alles bezahlt ist…” Er reicht dir deinen aufgewärmten Mantel rüber. “Hat er ihn auch gewaschen?” Denkst du etwas verwundert.
Während er das Geschirr zusammen räumt sagt er noch: “Es war schön, dich als Gast bei mir zu haben. Komm doch bald Mal wieder, vielleicht an schöneren Tagen, dann kann man auch im Innenhof sitzen und wir haben mehr Zeit zum plaudern.”
Nach einer kurzen Pause willst du ansetzen etwas zu erwidern, aber dann macht sich der Mann schon mit dem Gedeck auf den Weg in die Küche.
Nachdenklich machst du dich dann auch auf den Weg.
An der Tür zuckst du zusammen, als von der Seite eine Stimme an dein Ohr dringt. “Ein Moment noch!”
Du siehst in die Augen eine alten Mannes, der gleich neben der Tür am Tisch sitzt. Vor ihm liegen ein paar Pergament-Blätter, Tinte und Federkiel, sowie ein großes, in Leder gehülltes Buch, alles nur von einer schwachen Kerze erhellt.
“Du wirst doch nicht etwa gehen, ohne ein Eintrag in unser Gästebuch.”
Mit diesen Worten legt er eine Hand auf das dicke Buch und deutet mit einer anderen dir auf den freien Stuhl Platz zu nehmen.
“Du warst nur kurz unser Gast, aber trotzdem möchten wir dich in Erinnerung behalten.”
Zögernd setzt du dich an den Tisch. “Ein bisschen in den Einträgen der anderen stöbern, dann fällt mir schon noch ein was ich schreiben kann.” denkst du. Doch anstatt dir das Buch zu reichen, zieht der Alte es zu sich, schlägt eine leere Seite auf und schaut dich erwartungsvoll an.
“Nun, dann erzähl doch.” meint dein Gegenüber und beginnt sogleich ein paar kurze Sätze zu schreiben. Unsicher, was du sagen sollst, hältst du dich sehr allgemein: Name, Datum, Bestellung. Dazu noch eine Floskel wie: “Es war ganz nett und danke für den Tee.” Doch auch trotz deiner wenigen Worte scheint er fortlaufend zu schreiben, schon fast die ganze Seite voll mit einer kleinen Zeichnung am Rand.
“Gut, gut.” Sagt er als er den letzten Punkt macht und die Feder wieder in das Tintenfass steckt. “Dann wünsche ich dir noch ein gutes Gelingen auf deiner Weiterreise.”
So verabschiedest du dich und trittst dann durch die Tür. Ein kühler Wind weht auf der Straße, aber zumindest hast du einen warmen Mantel.
“Denke-Schenke. Komisches Örtchen.” denkst du dir. “Noch einmal herkommen? Weiß ich nicht.”
Du ertastest einen fremden Zettel in deiner Tasche. Jetzt im Dunkeln kannst du ihn nicht mehr lesen, also muss das bis morgen früh warten.