Eine Geschichte aus Honduras – in den Bergen

Eine Geschichte aus Honduras – in den Bergen

In diesen Format möchte ich einige besondere Erlebnisse festhalten. Es fehlen noch die Bilder, aber die kann ich erst einfügen, wenn ich sie irgendwo entwickelt bekomme. Bis dahin muss der Text ausreichen. Ein oder zwei weitere Geschichten sind auch noch in Planung.

in den Bergen

Der Unterricht in Honduras war wirklich anstrengend für mich. Die 16 Kinder der dritten Klassenstufe waren ständig am reden, umher laufen oder sonstigen Blödsinn anstellen. Alles, was ich versucht habe schien wirkungslos zu sein als würden sie nichts verstehen und nichts lernen. Irgendwie bin ich da durch gekommen. Tag für Tag bin ich in das Klassenzimmer und habe versucht so gut wie möglich zu überleben. Der Nachmittag war für die weiteren Vorbereitungen des nächsten Unterricht gedacht. Ich habe diese Zeit aber genutzt um zu entspannen und neue Energie für den kommenden Tag zu schöpfen. Ebenso am Wochenende.

[Bild von Bergen, Natur oder VIDA]

Die meisten Veranstaltungen, die am Wochenende stattfanden habe ich nicht besucht, sondern die Zeit genutzt um die Natur und die Berge zu erkunden. Ich kann ehrlich behaupten, dass ich auf fast jeden Gipfel im Umkreis des Missionswerks gewesen bin. Nur den Hügel auf der Westseite habe ich nicht versucht. Einen anderen, hinter der Stadt Syatal, habe ich versucht zu erklettern, auch wenn ein Klassenkamerad gesagt hat, das es zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Aber wenn ich alleine, in meiner eigenen Geschwindigkeit und meine eigenen Wege gehen kann, dann sollte das möglich sein.

So habe ich mich an einen Sabbat Nachmittag dazu entschieden mich auf den Weg zu machen. Nach den Mittagessen habe ich meine Wanderkleidung angezogen, mein Rucksack mit Kamera, Wasserflasche, Erste-Hilfe-Tasche und etwas zum Schreiben eingepackt und bin gegen 14:00 Uhr los gegangen. Damit hatte ich 4 Stunden Zeit, wenn ich zum dunkel werden und Abendessen wieder zurück sein wollte. Das sind 2 Stunden für den Aufstieg und 2 Stunden zurück. Wenn es nötig wird, kann man 25% der gesamt-Zeit zusätzlich für den Aufstieg verwenden, da es runter immer einfacher geht. Die Schlussfolgerung war also spätestens um 16:30 den Heimweg zu beginnen, egal wie weit ich bis dahin gekommen bin.

Die Richtung war klar, der Weg musste noch gefunden werden. Aber von meinen anderen Ausflügen kannte ich den ersten Hügel und das Terrain war mir auch schon bekannt. Viele Bäume, Flüsse und Zäune habe ich schon überquert, also war es kein Problem ein Weg zu finden.

Wie erwartet war der erste Teil des Weges sehr einfach. Die zweite Erhöhung gab mir eine schöne Aussicht auf die Stadt und es hat gar nicht lange gebraucht dorthin zu kommen. Die Sicht wurde durch den fehlenden Bäumen noch verbessert. Im letzten Jahr gab es ein Feuer hier in den Bergen, und dadurch sind einige der Bäume abgebrannt und die Bergspitzen sehr gelichtet. Aber ich hatte auch nicht wenig Zeit zum Rasten, denn nach einer Stunde war vielleicht die Hälfte des Weges geschafft.

[Picture city]

Aber meinen ganzen Zeitplan zum trotz ist es immer interessant einen näheren Blick auf die Steine hier zu werfen. Während unseren Wochenende in den Norwegischen Bergen habe ich einige interessante Felsformationen beobachtet und mich darüber mit unseren Direktor René unterhalten. Er hat Geologie studiert und konnte mir somit einiges aus Sicht der Wissenschaft erklären. Aber hier in Honduras waren die Steine sehr verschieden. Die Berge sind meist vulkanischen Ursprungs. Damit sind viele Steine sehr brüchig, andere sind wirklich schön mit Farben von Weiß bis Rot. Es ist schwierig alles zu beschreiben, aber ich habe ein Bild meiner Sammlung gemacht um später eine Nachhilfestunde mit René zu haben. Ich konnte ja auch nicht alle Steine mitnehmen. Unser Gewicht und Größe der Reisetasche ist im Flugzeug beschränkt.

[picture rocks]

Die nächste halbe Stunde was noch immer einfach und schließlich bin ich an den Punkt gekommen, wo der letzte Aufstieg beginnen würde. Zuvor musste ich noch ein Abhang runter und ein Fluss überqueren. Nur schnell hier runter, sicher kann das gefährlich werden, aber ich pass schon auf. Nur nicht auf die trockenen Blätter oder den Vulkansteinen treten, alles andere ist sicher.

Die meisten Flüsse in den Bergen sind trocken, nur die größeren haben noch etwas. Die Trockenzeit in Honduras lässt die Landschaft etwa so aussehen wie im Spätsommer oder trockenen Herbst in Deutschland. Es ist sehr angenehm nicht so viele Mücken zu haben, dafür mehr Skorpione. Auch einige der Bäume verlieren ihre Blätter und das Grass ist nicht mehr so grün. Und es ist wesentlich einfacher über ein Flussbett zu kommen. Kurz bevor ich am unteren Punkt angekommen bin, sah ich ein Baum, der über den 5 Meter tiefen Abgrund eine Brücke bildet. „It would be fancy to walk over there“, habe ich mir gedacht, „but maybe to dangerous.“ Also habe ich mich entschieden einen einfachen Weg runter zu finden. Zu meiner Überraschung, aber wie könnte es anders sein, war dort ein Zaun vor den letzten Meter runter. „It would be fancy to go there, but a fence is here – how ironic“, dachte ich mir und bin geschwind über den Zaun Nummer 15 für diesen Tag gestiegen.

Die Vegetation nahe den Flüssen ist immer etwas dichter als sonst, auch wenn momentan kein Wasser fließt. Mit Wasser könnte das ein idyllisches Tropen-Bild abgeben. Palmen, große Blätter, einige Lianen und viel Grün. Aber dadurch hatte ich kein Blick auf den Gipfel, auf den ich rauf wollte. Aber was kann schon so schwierig sein, einfach nach oben. Und als sich die Bäume etwas lichteten, konnte ich sehen was vor mir lag: ein steiler Südhang mit vereinzelten Palmen und etwas Gestrüpp. Zum Glück gab es einige Pfade, die vermutlich von Kühen getreten wurden. Diesen folgte ich aufwärts.

[picture mountain]

Ehrlich, es war sehr steil. Und bald schon verschwanden auch die Kuh-Pfade. Aber oben war mein Ziel und nach oben bin ich gegangen. Von der Ferne kann man das Buschwerk nicht genau erkennen. Dieses wurde höher und dichter. An einer Stelle wollte ich zwischen zwei Bäume hindurch, als ich plötzlich vor einen Spinnennetz stehen blieb. In der Mitte war eine etwa Handteller große Stimme mit schwarz-gelben Beinen. Ich hatte leider nur noch 4 oder 5 Bilder auf meiner Kamera übrig, also habe ich kein Foto gemacht, was ich aber später sehr bereut habe. Ein paar andere interessante Tiere konnte ich während meines Aufenthalt in Honduras fotografieren. Die Bilder werde ich später noch zeigen. Um ein gutes Foto zu machen braucht es aber Ruhe und Geduld. Beides hatte ich beim Klettern nicht gerade.

In der Tat schwand meine Ruhe, als ich nach 30 Minuten noch immer in den Büschen mich rumschlug und noch immer nicht nahe an den Gipfel gekommen bin. Irgendwann habe ich ein Felsvorsprung erreicht, der etwas über den Gestrüpp und Bäumen heraus geragt hat. Eine Kurze Pause habe ich mir dort gegönnt: die Aussicht über das Tal, ein Schluck Wasser (die Flasche muss für den ganzen Weg reichen, also ein Schluck alle 20 Minuten), wieder zu Kräften kommen und dann den weiteren Weg planen. Anbetracht der Zeit und der aufkommenden dunklen Wolken dachte ich an den Rückweg. „Wenn ich dort rüber gehe und dann da weiter, dann kann ich dort runter, das wird vielleicht etwas leichter.“ So dachte ich, packte meine Sachen und kletterte weiter.

Nun war es wirklich gut ein Stock dabei zu haben. Den habe ich einige Wochen zuvor gefunden und mir ein Schwert daraus geschnitzt. Ich mag Schwerter und es ist gut immer eins dabei zu haben. Wofür? Man weiß nie! In Honduras hat fast jeder seine Machete dabei. Mein Stock habe ich ab und an gut gebrauchen können um besseren Halt auf den steilen Hängen zu haben. In der nächsten Stunden erwies er sich auch als gute Hilfe durch den Büschen. Denn der Weg, den ich mir ausgesucht habe, wurde nicht einfacher. Gestrüpp mit Ästen über 3 Meter lang und überall Dornen. Bald war ich inmitten des Gestrüpps, konnte nicht sehen wo ich lang ging und bekam eine Schramme nach der anderen. „Es kann nicht viel schlimmer werden.“ Dachte ich und ging weiter in die geplante Richtung. Aber kam schlimmer.

Anfangs war ich noch genervt von den ganzen Dornengestrüpp. Nun war ich aber froh etwas zu haben, wo ich mich dran festhalten konnte um nicht den Abhang runter zu rutschen. Einige Äste brauchte ich zum festhalten, andere musste ich mit mein Schwert zerschlagen um weiter zu kommen. Solange noch Büsche und Bäume wachsen kann es nicht so steil und steinig sein. Aber ich kam auch an einer Stelle, wo der Boden vor mir plötzlich einige Meter tief runter ging.
„Wenn ich hier ein Unfall habe, wird mich niemand finden, nicht einmal hören. Also muss ich vorsichtig sein, aber auch schnell genug um nicht in der Dunkelheit hier fest zu stecken. Im schlimmstem Fall muss ich mich selber verbinden. Erste-Hilfe-Tasche und Stock habe ich ja dabei, das sollte für das meiste reichen.“

Nach weiteren 30 Minuten in den Dornen fing ich an zu beten:

„Okay, Herr, es war ziemlich dumm hier her zu kommen, ohne wirklich ein Plan zu haben was mich erwartet oder wo lang ich gehe, aber nun bin ich hier. Was soll ich sagen? Hilf mir? Beschütze mich? Bring mir hier raus? Ich nehme an, ich muss die Konsequenzen für mein Versagen tragen. Aber du kannst mich dennoch beschützen, oder? Wie du es immer tust, nehme ich an. Herr, du siehst meine Situation und mein Weg. Es geht nicht nur um diesen Berg. Manche Leute sagen du hast einen speziellen Plan für jeden deiner Kinder, so auch für mich. Ich kenne den Weg nicht, nicht einmal ein Schritt weit. Ich stecke hier fest in den Dornen. Alles tut weh und wo immer ich hin gehe gibt es nur noch mehr Schmerzen. Wenn ich über mein Leben entscheiden könnte, würde ich einfach aufgeben. Genau hier, den Abhang runterfallen oder etwas ähnliches. Es kümmert mich nicht. Aber du hast ein Plan. Wenn also du dich doch kümmerst und denkst, dass ich noch immer brauchbar bin, dann mach, was du immer tust.“

Etwa gegen 17:00 war ich raus aus den Dornengestrüpp. Eine Fläche war hier frei gemacht von allen Bäumen und Büschen. Diesen Moment nutzte ich um etwas Luft zu holen, ein Schluck Wasser zu trinken und meine Wunden zu versorgen. Oh, waren meine Hände dreckig und blutig! Keine ernsthaften Wunden, aber Dornen überall. Die sind sogar durch meine Kleidung gekommen. Die nächsten zwei Wochen war ich damit beschäftigt alle Splitter zu entfernen. Bevor wir nach Honduras gekommen sind gab es ein Gerücht über giftige Pflanzen, welche einige Schüler von Matteson geschadet haben während sie auf der Avocado-Plantage gearbeitet haben. Also habe ich meine Hände auch gründlich mit Desinfektionsmittel gewaschen.

Der Rest der Reise war einfach den Weg folgen. Im Angesicht der Zeit und der Schmerzen entschied ich mich entgegen meiner Vornahmen nicht gesehen zu werden, den kürzesten Weg durch die Stadt zu nehmen und nicht über die Berge zurück zu gehen. Es war wieder sehr hilfreich mein „Wanderstab“ dabei zu haben, denn mein linker Fuß schmerzte etwas seit ich damit etwas abgerutscht und auf ein Stein gelandet bin.

Aber einfach weiter gehen.

Es wird schon wieder.

Irgendwann.

Vielleicht.

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